Geschichten von der Mühle -
Die Restaurierung des Quetschstuhls

Von Claus Hiller

Zu den Arbeitsabläufen in der Mühle gehörte auch die vor dem Mahlen erforderliche Getreidereinigung. Das Getreide mußte hierzu mehrere Maschinen hintereinander durchlaufen: • Aspirateur zum Ausblasen der restlichen Spreu mit einem Rüttelsieb zum Entfernen von Sand und Steinchen. • Trieur zum Auslesen von Unkrautsamen. • Schäl- und Bürstmaschine zum Entfernen der äußeren hölzernen Schale des Getreidekorns. • Magnetabscheider zum Zurückhalten von Fremdkörpern aus Eisen. Da das Getreide bis Mitte des vorigen Jahrhunderts noch nicht mechanisiert geerntet wurde, nach dem Mähen mit Sensen auf dem Boden lag und von dort aufgenommen wurde, konnten dies Hufnägel oder Teile von Rädern der Ackerwagen sein. Aber auch Teile oder Abrieb von Metall, die bei der Bearbeitung in der Mühle in den Becherwerken (Elevatoren) anfielen, gehörten dazu. Denn diese automatisierten den aufwärts gerichteten Transport des Getreides zwischen den einzelnen Bearbeitungsstufen der Mühle, während er abwärts durch Rohrleitungen mittels Schwerkraft erfolgte. Ein zweizügiges Becherwerk, Projekt einer weiteren Restaurierung, ist hier zu sehen. Der Magnetabscheider dieser Mühle befand sich in einem beklagenswerten Zustand: Die Holzteile waren komplett verfallen, die Metallteile stark mit Rost überzogen. Aber die 4 Hufeisen-Permanentmagnete aus Stahl, heutige hochmagnetische Legierungen gab es zur Zeit des Mühlenbaus noch nicht, hatten in mehr als 100 Jahren seit ihrem Einbau ihre Anziehungskraft erhalten. Da auch der Aufbau lokaler Stromnetze erst später begann, kamen Elektromagnete, wie sie bis heute in industriellen Mühlen Standard sind, hier nicht zum Einsatz. Zwar wurde, wie hier noch zu sehen ist, in späteren Jahren ein vom Wasserrad angetriebener Gleichspannungs-Generator mit Batteriespeicherung installiert, hiermit wurde aber nur die Beleuchtung in der Mühle und im Wirtschaftsgebäude mit elektrischem Strom versorgt. ---------------------------------------------

Der Quetschstuhl befand sich bei der Mühlenrettung im Jahr 2012 wie vieles andere in einem beklagenswerten Zustand. Die Holzkonstruktion mit Einfüllgosse und Auslauf waren zerfallen, das Metall verrostet, Walzen und Achslager blockiert. So wurden die Teile zunächst gesichert, bevor mit der Restauration in 2018 begonnen wurde. Die Holzteile waren nicht mehr zu retten und wurden originalgetreu nachgebaut. Der kräftige Holzständer, er trägt das Gewicht des gusseisernen Quetschwerkes von mehr als 0,5 t, ist mit vier Kreuzverstrebungen wie sein Original ausschließlich mit Zapfen verbunden.


Bild 1: Quetschstuhl bei Mühlenrettung
November 2012; (Bild: R. Hagen).

Bild 2: Wieder in Betrieb!
Der restaurierte Quetschstuhl

Arbeitsabläufe in der Mühle

Das „Quetschen“ von Hafer gehört neben dem Mahlen zu den Arbeitsabläufen in der Mühle. Diese beginnen mit der Reinigung des angelieferten Getreides, der anschließenden Trennung von unerwünschten Bestandteilen und dem Sortieren, dem „Sichten“. Quetsch- und Walzenstühle bereiten das Mahlgut zum Mahlen vor oder erzeugen bereits Produkte wie Haferflocken. Abschließend erfolgt das Sichten von Mehl und Schrot zur gewünschten Feinheit. Müllermeister Franz Rosenkranz erklärt uns die Arbeiten:
• Bürstmaschine: Vorreinigung zur Entfernung von Fremdkörpern wie Steinen, Staub, Unkraut, Spreu und Strohhalmen.
• Magnetabscheider: Aussonderung von eisenhaltigen Fremdkörpern wie Nägel, Schrauben und Drähten. Da das Getreide früher mit Sensen gemäht wurde und auf dem Ackerboden lag, gerieten solche Teile in das Mahlgut und hätten, wären sie nicht entfernt worden, die Mahlwerke beschädigt.
• Aspirateur: Reinigung des Korns mittels Luftstrom von Staub, Sand, Unkrautsamen und fremdem Getreide.


Bild 3: Müllermeister Franz Rosenkranz
nach Arbeiten am Wasserrad

• Trieur: Sortiert das Mahlgut nach Kornlänge und separiert Bruchkorn, Samen, Flughafer aus Getreide und Weizen aus Gerste.
• Schälmaschine: Schält und trennt Brotgetreide von Verunreinigungen, Holzfasern und den ölhaltigen äußeren Hüllen von Keimlingen, die den gesamten Fettanteil des Getreides enthalten. Durch ihr Aussondern wurde das Mehl länger haltbar und nicht schnell ranzig.
• Walzenstuhl: Vermahlung von Getreide, z. B. Roggen zu Mehl und Schrot durch Aufreißen des Getreides vor dem Mahlgang, um dieses zu entlasten.
• Quetschstuhl zur Herstellung von Haferflocken.
• Plan-, Zentrifugal und Sechskantsichter: Zum Trennen und Sieben des Mahlguts.
Die Konstruktion, Bedienung und Instandhaltung dieser mechanisch teils aufwendigen Maschinen zeigt den hohen Wissenstand, das technische Verständnis und die handwerklichen Fähigkeiten, über das das Mühlenwesen bereits in Frühzeiten verfügte.

Quetschstuhl der Mühle Karoxbostel

Bild 4: Arbitsweise:
• Die Riemenscheibe (1) dreht die Walze (2). Walze (3) liegt an Walze (2) an und dreht durch Reibung mit.
• Durch die Hebelwirkung erzeugen die Gewichte (4) einen Druck von bis zu 250 kg, der auf den Druckbolzen (6), das seitlich bewegliche Walzenlager (7), auf die Walze (3) und damit auf das Getreide wirkt.
• Das Getreide fällt aus der Einfüllgosse durch einen Schieber zur Einstellung der Durchlaufmenge zwischen die Walzen, wird gequetscht und fließt über eine Rutsche in einen Sammelbehälter.
• Die Abstreifbleche (8) lösen das an den Walzen haftende Quetschgut, die Gewichte (9) drücken die Abstreifbleche an die Walzen.


Bild 5: Durch das hohe Hebelverhältnis von 1:14 erzeugen die
auf dem Hebenarm verschiebbaren 18 kg-Gewichte einen
auf das Quetschgut wirkenden Druck von bis zu 250 kg.

Bild 6: Riemenscheibe
am Mühlengebäude

Sein gusseisernes Quetschwerk wurde vermutlich in der Gießerei Königshütte in Bad Lauterberg im Harz, einem von 1875-1930 überregional agierenden Hersteller von Mühlenmaschinen, gefertigt, und vom Mühlenbaumeister Wilhelm Pätzmann aus Winsen an der Luhe in den Neubau dieser Mühle, der im Jahr 1893 in Betrieb ging, eingebaut.
Wie Bild 1 zeigt, wurde der Quetschstuhl in seiner ursprünglichen Anordnung vom oberhalb liegenden Mühlenboden („Putzboden“) befüllt und das gequetschte Mahlgut fiel über ein Holzlaufrohr in den unterhalb liegenden Mühlenkeller, wo es mit einem Rüttelsieb gesiebt und danach abgefüllt wurde.
Nach Erzählungen wurde dieser Quetschstuhl überwiegend zum Quetschen von Futter für das hier gehaltene Vieh verwendet, Gerste für die Kühe und Hafer für die Pferde. Dies auch dann noch, nachdem der Mahlbetrieb wegen Baufälligkeit des Wasserrades längst aufgegeben war und der Quetschstuhls nicht mehr mit Wasserkraft betrieben werden konnte. Um weiterhin Futter herzustellen, wurde er über die heute an der Außenwand des Mühlengebäudes noch vorhandene Riemenscheibe über die Zapfwelle eines unten aufgestellten Deutz-Traktors angetrieben.

Die Restauratoren

Müllermeister Franz Rosenkranz und die Mühlen-“Sägetruppe“:
H.-J. Detlefsen, R. Fromator- Himmelreich, R. u. D. Nagel, J. Menk und
C. Hiller (Autor, Bilder, Graphik).

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